Die Sage vom "Haslemann bei Stetten"
Aus Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See, 1976
Einst lebte vor vielen Jahren in Stetten ein armer Korbflechter und Besenbinder, der sich die für sein Handwerk erforderlichen Weidenruten und das Besenreisig dort holte, wo es am wohlfeilsten zu bekommen war, nämlich zur Nachtzeit in den umliegenden Wäldern. War es da verwunderlich, dass ihm die Bauern, Waldbesitzer und der Waldhüter nicht gut gesonnen waren?
Gerne hätte man ihn für seine Diebereien gezüchtigt, jedoch kannte er sich in den Waldungen zu gut aus, um sich auf frischer Tat ertappen zu lassen. Doch der Korbflechter wurde mit der Zeit immer dreister – und als wieder einmal die besten Reiser gestohlen wurden, nahmen die erzürnten Leute die Spur des Diebes auf.
Aus dem nahe gelegenen Haslewald hörte man ein verräterisches Knacken: Der Korbflechter war am „Werk“. In der mondhellen Nacht konnte er gestellt werden, es gab nun kein Entrinnen mehr. Flink wie eine Eichkatze kletterte er auf einen hohen Baum, um sich dort verborgen zu halten. Da er auf keine Rufe reagierte, wurde der Baum von den nach Strafe dürstenden „Stettheimern“ gefällt. Der Korbflechter stürzte mit ihm zu Boden und war auf der Stelle tot.
Zur Strafe für seinen unehrlichen Lebenswandel musste das Männchen nachts als Gespenst in jenem Wald umherirren. Oft hörte man in mondhellen Nächten das Krachen eines umstürzenden Baumes und das Geheul und Gejammere des „Hasle-Maales“. Wanderer und Fuhrleute, die erst nach dem Betläuten am Haslewald vorbeikamen, wurden von dem Geist in die Irre geführt.